...und keiner geht hin

... und keiner geht hin! 


Es prasselt, als würde jemand Erbsen auf ein Dachfenster fallen lassen, aber es kommt nicht von oben. Es kommt durch das geöffnete Schlafzimmerfenster. Und erst als wir davon wach werden, können wir das Feuer auch riechen und sehen. Als wir nach draußen rennen, beleuchtet der Widerschein des Feuers die Szene mit seinem typisch unruhigen Licht. Außer dem Besitzer des Anwesens und uns ist nur noch ein weiterer Nachbar da. Beide bemühen sich, den Brand mit Gartenschläuchen in Schach zu halten. Der Rest der Leute aus den benachbarten Häusern, der nicht schon im Urlaub ist, verbringt den Sommerabend wohl irgendwo anders bei Freunden und Bekannten. Die Gefahr ist offensichtlich: Die Bauhütte brennt bereits lichterloh und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Feuer auf den Neubau übergreifen wird. "Ich habe die Feuerwehr schon gerufen..." sagt der Besitzer. "Vor 20 Minuten..." fügt er resigniert hinzu. Alle nicken verstehend. Es dauert nun mal seine Zeit, bis die Feuerwehr kommt, wenn man nicht in der Stadt wohnt, wo es eine Berufsfeuerwehr gibt, die rund um die Uhr besetzt ist. Das Problem liegt aber nicht in der Entfernung - das alte Zeughaus liegt nur etwa fünf Minuten von uns entfernt... 

 

Da hören wir das   Martinshorn und man kann auch das Flackern des Blaulichtes schon sehen. Der   Besitzer des Grundstückes läuft ihnen entgegen, damit nicht noch mehr Zeit   verloren geht. "Mensch - so ein Glück, dass die schon da sind..." seufzt der   andere Nachbar erleichtert und blickt auf seinen Gartenschlauch. "Damit kommt   man ja wirklich nicht weit..." Nur zwei Mann sitzen im Löschfahrzeug. Und wie   zu erwarten, sind es Pensionäre. Einer der beiden, der wie ich weiß schon über   60 ist, aber immer noch sehr dichtes, dunkles Haar hat, verschafft sich rasch   einen Überblick. "Der war früher der Kommandant - als die Freiwillige   Feuerwehr noch mehr Mitglieder hatte. Unser Glück, dass der da ist...   Eigentlich dürfte er in seinem Alter gar nicht mehr..." Der Alte trifft rasch   seine Entscheidungen: "Hans, Du versuchst erstmal den Brand mit dem   Tankwagenschlauch vom Neubau wegzuhalten, bis ich denen hier gezeigt habe, was   zu tun ist... Ihr kommt mit und helft mir, eine Saugleitung vom Löschteich   aufzubauen." "Und was ist mit der Bauhütte?" fragte ich. Der Alte sah mich   skeptisch an: "Die ist eh nicht mehr zu retten. Die Zeiten, wo wir genug Leute   hatten, um einen Brand zu bekämpfen, sind vorbei. Heutzutage verwalten wird   hauptsächlich das Feuer, das wir vorfinden. Also los!".

 

Eigentlich war es   erstaunlich, dass wir den Neubau retten konnten. Und hätten uns die beiden   Alten nicht so klare Anweisungen gegeben, wir hätten wohl nie Wasser in die   großen Schläuche bekommen. Als wir vor den glimmenden Resten der Bauhütte   standen, meinte meine Freundin: "Das war knapp..." "Da haben wir schon   Schlimmeres erlebt", entgegnet der Alte. "Das war ja nichts Großes. Wir waren   nur viel zu wenige. Erst recht zu wenige Ausgebildete.. zwölf Aktive... damit   kommt man nicht über die Urlaubszeit." "Aber warum werden dann nicht mehr   ausgebildet?", frage ich. "Weil keiner kommt, wenn man was macht - weil keiner   Zeit hat. Eine Jugendgruppe haben wir schon seit zwei Jahren nicht mehr.   Freiwillige Feuerwehr - so etwas kostet nun mal Zeit. Die Zeit, die man beim   Einsatz nicht hat, die braucht man zum Üben." Er will gerade weiterreden, als   ein Piepsen ertönt. Tüt.. tüt.. tüt. "Ein Dreier-Alarm..", sagte der Alte und   hält mir den Feuerwehr-Piepser hin. Aber das Gerät hört nicht auf... tüt..   tüt..tüt..

 

Tüt.. tüt.. tüt.. - ich   schlage die Augen auf. Wie immer drücke ich zuerst auf dem Wecker herum, weil   ich denke, dass er es ist. Aber beim Blick auf die Uhr wird mir klar, dass es   erst viertel nach drei ist. Samstag nacht. Meine Freundin ist auch wach...   "Piepser?" fragt sie schlaftrunken. "Ja", sagte ich, "ein Dreier-Alarm..."   Keine Frage, wir werden jetzt rasch in die Klamotten springen und mit dem Auto   zum Feuerwehrhaus fahren. Wir wollen es. Wir haben uns freiwillig dafür   entschieden. Und deshalb müssen wir jetzt auch - ziemlich egal wann. Ob es   draußen kalt oder warm ist. Denn stellt euch vor, es gibt eine Freiwillige   Feuerwehr und keiner geht hin...


Stellt euch vor, es brennt und keiner kommt löschen.....   


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